Der lang erwartete US-China Handelspakt ist da – zumindest vorerst. Ein 90-Tage-Waffenstillstand im erbitterten Zollkrieg sorgte gestern und über Nacht für eine regelrechte Erleichterungsrally an den globalen Märkten. Aktienkurse schossen in die Höhe, der US-Dollar zeigte Stärke. Doch kann dieser Pakt die tiefgreifenden Verwerfungen wirklich heilen oder ist die Euphorie nur eine kurze Verschnaufpause im Handelsstreit der Giganten? Die kommenden Wochen dürften entscheidend werden.
Handelspakt entfesselt Rally: Märkte im Freudentaumel
Die Nachricht, dass Washington und Peking sich auf eine signifikante Reduzierung der gegenseitigen Strafzölle für 90 Tage geeinigt haben, wirkte wie ein Befreiungsschlag. Unter dem gestern bekanntgegebenen Abkommen senken die USA ihre erst im April massiv erhöhten Zusatzzölle auf chinesische Importe von 145% auf 30%. Im Gegenzug fallen die chinesischen Abgaben auf US-Importe von 125% auf 10%. Zusätzlich verpflichtet sich China, Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe wie Seltene Erden und Magnete aufzuheben.
Die Reaktion an den Finanzmärkten ließ nicht lange auf sich warten: Weltweit zogen die Aktienkurse kräftig an. An der Wall Street schloss der S&P 500 auf dem höchsten Stand seit Anfang März, und der technologielastige Nasdaq Composite erreichte sogar den höchsten Schlusskurs seit Ende Februar. Diese positive Stimmung schwappte heute auch auf die asiatischen und europäischen Märkte über. „Das ist deutlich besser, als der Markt erwartet hatte“, kommentierte Rodrigo Catril, Senior FX-Stratege bei der National Australia Bank. Viele sahen darin ein Zeichen, dass die US-Regierung sensibel auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zölle reagiere.
Auch am Devisenmarkt zeigte sich die Erleichterung. Der US-Dollar legte deutlich zu und notierte heute Morgen nahe einem Einmonatshoch gegenüber einem Korb von Währungen bei 101,67. Leidtragende waren vor allem der japanische Yen und der Euro, die über Nacht deutlich nachgaben. Der Euro erholte sich heute leicht auf 1,1095 Dollar, nachdem er gestern um 1,4% gefallen war. Der Dollar notierte zuletzt bei 148,29 Yen. Experten wie Catril sehen durchaus Potenzial für eine Fortsetzung dieser Verschiebung zugunsten des Dollars in den kommenden Wochen. Selbst Kryptowährungen wie Bitcoin, der gestern auf den höchsten Stand seit Ende Januar kletterte und heute bei 102.590,75 Dollar notierte, profitierten von der verbesserten Risikostimmung.
Die Deeskalation im Handelskonflikt führte auch zu einer Neubewertung der Zinserwartungen an die US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Händler reduzierten ihre Wetten auf baldige Zinssenkungen, da der Druck auf die Fed nachlässt, die Wirtschaft durch eine lockerere Geldpolitik stützen zu müssen. Prompt zogen die Renditen für US-Staatsanleihen an; die zweijährige Rendite bewegte sich heute Morgen nahe einem Einmonatshoch bei 3,9977%. Futures zeigen nun, dass die Märkte bis Dezember nur noch Zinssenkungen im Umfang von etwa 56 Basispunkten einpreisen. David Doyle, Chefökonom bei Macquarie, merkte an: „Obwohl die Unsicherheit bestehen bleibt, könnte die Ankündigung einige der Abwärtsrisiken beseitigen, die bei Beibehaltung der höheren Zollsätze vorgeherrscht hätten.“
Globale Wirtschaft atmet auf: Ein Hoffnungsschimmer?
Nicht nur die Finanzmärkte reagierten positiv. Erste Stimmungsindikatoren deuten darauf hin, dass die Nachricht auch in der Realwirtschaft für Erleichterung sorgt. So zeigte eine heute veröffentlichte Umfrage des Westpac-Melbourne Institute, dass sich die australische Verbraucherstimmung im Mai teilweise von dem Schock erholt hat, den die Ankündigung der US-„Vergeltungszölle“ im April ausgelöst hatte. Der Index stieg um 2,2%, nachdem er im Vormonat um 6,0% eingebrochen war. Ein klarer Wahlsieg der Labor-Regierung Anfang Mai trug ebenfalls zur Stimmungsaufhellung bei.
Auch aus Großbritannien kamen heute positive Signale. Die Einzelhandelsumsätze stiegen im April sprunghaft an, wie der Branchenverband British Retail Consortium (BRC) meldete. Die Verkäufe lagen um 7,0% über dem Vorjahresmonat, begünstigt durch das diesjährige Osterfest und sonniges Wetter, das besonders den Verkauf von Lebensmitteln, Gartengeräten und Kleidung ankurbelte. Bereinigt um den Oster-Effekt lag der Zuwachs im März und April kombiniert immer noch bei soliden 4,3%. Daten von Barclays bestätigten diesen Trend: Die Ausgaben mit Bankkarten stiegen im April um 4,5% im Jahresvergleich – der stärkste Anstieg seit Juni 2023 und das erste Mal seit über zwei Jahren, dass das Ausgabenwachstum die Inflation übertraf. Interessanterweise zeigten die Barclays-Daten aber auch, dass fast drei von vier britischen Konsumenten weiterhin besorgt über die Auswirkungen des von US-Präsident Trump initiierten Handelskriegs auf ihre Haushaltsfinanzen sind, auch wenn diese Sorge leicht abgenommen hat.
Die Kehrseite der Medaille: Japans Vorsicht und ungelöste Konflikte
Trotz der unmittelbaren Euphorie warnen Beobachter vor überzogenem Optimismus. Die Bank of Japan (BOJ) zum Beispiel bleibt wachsam. Aus einem heute veröffentlichten Protokoll ihrer Sitzung von Ende April/Anfang Mai geht hervor, dass ein Vorstandsmitglied forderte, nicht übermäßig pessimistisch zu sein, aber bereit zu bleiben, die Zinssätze je nach Entwicklung der US-Handelspolitik weiter anzuheben. Man erwarte zwar eine „vorübergehende Pause bei Zinserhöhungen aufgrund des sich verlangsamenden US-Wachstums“, müsse aber „Geldpolitik flexibel gestalten“. Eine andere Meinung im Protokoll unterstrich, dass sich der geldpolitische Pfad der BOJ „jederzeit ändern“ könne, da die Aussichten für Japans Wirtschaft stark von den Entwicklungen rund um die US-Zölle abhingen. Die BOJ hatte bei dieser Sitzung die Zinsen bei 0,5% belassen, aber ihre Wachstumsprognosen deutlich gesenkt.
Die grundsätzlichen Konflikte zwischen den USA und China sind mit dem 90-Tage-Pakt keineswegs gelöst. Kritiker weisen darauf hin, dass die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten, etwa das US-Handelsdefizit mit China oder Pekings Rolle in der Fentanyl-Krise in den USA, unberührt bleiben. Selbst US-Finanzminister Scott Bessent, der das Abkommen in Genf ausgehandelt hat, räumte ein, dass es Jahre dauern werde, die Handelsbeziehungen neu zu justieren. Scott Kennedy, China-Experte am Center for Strategic and International Studies in Washington, bezeichnete den Deal gar als „100-prozentigen Rückzug der USA“, da diese den Handelskrieg begonnen und eskaliert hätten. Demgegenüber verteidigte Kelly Ann Shaw, eine ehemalige Handelsberaterin Trumps, das Vorgehen als Erfüllung von Wahlkampfversprechen. Die 90 Tage seien jedoch eine kurze Zeit, um komplexe Probleme wie Subventionen anzugehen.
Unternehmen suchen nun dringend nach mehr Klarheit. Der temporäre Zollabbau könnte zwar dazu führen, dass Waren wieder verschifft werden, aber die Unsicherheit über ein endgültiges Abkommen dürfte viele Firmen davon abhalten, ihre Bestellungen drastisch zu erhöhen. „Jeder will Beständigkeit, und das war der schwierige Teil an dieser ganzen Sache“, so Mike Abt von Abt Electronics in Chicago. Die bestehenden Zölle aus der Zeit vor Präsident Trump, darunter 25% auf viele Industriegüter und die von der Vorgängerregierung Biden verhängten Zölle von 100% auf E-Autos und 50% auf Solarprodukte, bleiben zudem unverändert.
Ausblick: Drei Monate Wahrheit – Was nun?
Der US-China Handelspakt hat zweifellos für eine wichtige Atempause und eine Welle der Erleichterung an den globalen Märkten gesorgt. Die kommenden drei Monate werden nun zeigen, ob diese Pause genutzt werden kann, um nachhaltige Lösungen für die komplexen Handelsfragen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu finden. Die Unsicherheit bleibt ein treuer Begleiter der Märkte. Gelingt keine dauerhafte Einigung, könnten die gerade erst reduzierten Zölle schnell wieder Realität werden – mit entsprechenden Folgen für die Weltwirtschaft. Anleger und Unternehmen werden die Verhandlungen in den nächsten 90 Tagen daher mit Argusaugen verfolgen. Die Frage, ob der aktuelle Optimismus gerechtfertigt ist oder ob wir nur Zeugen eines kurzen Zwischenhochs im Zollkrieg sind, bleibt vorerst offen. Die Antwort darauf dürfte die Richtung der Märkte für den Rest des Jahres maßgeblich bestimmen.
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